Artikel mit Schlagwort Anforderungen

01.2 Anforderungen an hydrologische Modelle

Die Anwendung von GIS ist in der hydrologischen Einzugsgebietsmodellierung dann besonders nützlich und sinnvoll, wenn die Modelle physikalisch und biologisch begründet sind und ihre Parameter aus flächendifferenzierten Informationen über die Gebietseigenschaften, wie sie zuvor genannt wurden, abgeleitet werden können. Dies gilt vor allem für flächendifferenzierte Modelle mit verteilten Parametern. Mit solchen Modellen sind auch verbesserte Möglichkei­ten zur Beschrei­bung unbeobachteter Gebiete und zur Bewertung der Aus­wir­kun­gen möglicher Kli­ma- und Land­nut­zungs­ände­run­gen auf die hy­dro­lo­gi­schen Pro­zesse gegeben.

Die Simulationsgüte der Modelle hängt ent­scheidend von der Verfügbarkeit von Informationen über die zeitliche und räumli­che Variabilität der Systemein­gän­ge, -eigenschaften und -zustände ab. Allerdings ist eine vollständige physikalisch determinierte Beschreibung aller Teilprozesse, speziell in größeren Systemen bzw. Gebieten, meist weder sinnvoll noch möglich. Refsgard (1981) schreibt zu diesem Problem: „Ein Einzugsgebiet ist ein extrem kompliziertes Natursystem, von dem wir nicht annehmen können, es exakt in allen Details beschreiben zu können.“

Deshalb umfassen die physikalisch determinierten Modellansätze je nach ihrer Detailliertheit ein Spektrum, das von den sogenannten Prozessmodellen bis zu den konzeptionellen Modellen reicht (bei fließenden Übergängen).

Detaillierte Prozessmodelle besitzen physikalisch begründete, meist direkt messbare Parameter. Ihre Anwendung scheitert oft an der unzureichenden Verfügbarkeit der Parameter in ihrer räumlichen (und z.T. zeitlichen) Verteilung. Von gleicher, oft entscheidenderer Bedeutung ist die Notwendigkeit der flächendifferenzierten Erfassung bzw. Prognose der prozessdominierenden Eingangsgrößen Niederschlag/Schnee­schmel­ze. Schilling & Harms (1983) zeigten z.B., dass eine flächendifferenzierte Modellierung primär in Abhängigkeit von der Flächendifferenzierung der meteorologischen Eingangsgrößen erfolgen sollte. Sie stellten fest, dass sehr detaillierte, räumlich hoch aufgelöste Modellansätze ohne Berücksichtigung der örtlichen Niederschlagsverteilung größere Fehler lieferten als einfachste Blockmodelle mit Berücksichtigung der Niederschlagsverteilung. Diese Tatsache muss bei der Modellwahl unbedingt beachtet werden.

Konzeptionelle Modelle sind durch notwendige und sinnvolle Vereinfachungen und Modellreduktionen aus detaillierten Prozessmodellen hervorgegangen oder beschreiben die hydrologischen Prozesse mit Hilfe von Analogien (z.B. Einzellinearspeicher). Speziell bei der Anwendung auf größere, wasserwirtschaftlich relevante Flächeneinheiten (Einzugsgebiete, Flussgebiete usw.) haben sie ihre Zweckmäßigkeit unter Beweis gestellt. Es hat sich u.a. gezeigt, „dass die auf den Grundgesetzen der Kontinuumsmechanik basierenden Modelle zu komplex sind, um der räumlich differenzierten Natur der hydrologischen Systeme gerecht zu werden“(Dooge 1985). Ein Nachteil einiger früher angewendeter konzeptioneller Modelle ist es, dass ihre Modellparameter teilweise keinen direkt messbaren physikalischen Bezug besitzen. Inzwischen gibt es jedoch ein Spektrum leistungsfähigerer Modelle, die diesen Mangel nicht aufweisen.

Bei der Modellbildung ist dem Maßstabsproblem besondere Beachtung zu schen­ken. So sind beispielsweise bei mittelmaßstäbigen mesoskaligen Einzugsgebietsmodellie­rungen prinzi­piell beide zuvor erläuterten Modellierungsalternativen anwendbar:

  1. Sehr detaillierte, prozessnahe hy­drologische Modelle, mit einer sehr feinen örtlichen und zeitlichen Diskretisierung (prozess­adä­quate Zeitschrittweiten im Minuten- bis Stunden­bereich und kleine, ho­mogene Teil­flä­chen, z.B. landwirtschaft­liche Schlä­ge), die für größere Gebiete un­ter Berück­sich­ti­gung der Wechsel­wir­kun­gen zwischen diesen Teilflächen lagegerecht miteinander ver­kop­pelt werden müssen,
  2. Konzeptionelle Modelle, die eine gröbere zeitliche und räumliche Diskretisierung ge­stat­ten bzw. oft­mals sogar erfordern.

Bei der zweiten Variante wird das Niveau der lagegerechten Berücksich­ti­gung von Teilflächen wesentlich gröber angesetzt, z.B. in der Ebene von Niederschlagszonen oder Teil­ein­zugs­ge­bie­ten, während unter­halb dieser Ebene Heterogenitäten orts­un­ab­hängig über ihre Flä­chenanteile oder statistische Ver­tei­lungs­funk­tionen in die Mo­dellierung eingehen.

Für eine Vielzahl von Aufgabenstellungen werden konzeptionelle Modelle gewählt, weil einerseits die Verfüg­barkeit der Daten in ih­rer räum­lichen und zeitlichen Ver­teilung nicht dem zur detaillierten Beschreibung der hydrolo­gischen Einzelprozesse bestehenden Be­darf ent­spricht, andererseits die meso- und makro­maßstäblich ablaufenden Pro­zesse mit ihnen effektiver erfasst und be­schrieben wer­den können. Insbesondere für mittelmaßstäbige bis großräumige Langfristsimula­tionen ist diese Verfahrensweise angeraten, weil weni­ger Zeitschritte und weniger Teil­flä­chen mit einfacheren Modellen zu bearbeiten sind. Das Haupt­pro­blem besteht bei diesem Modellierungsverfahren in der Ermitt­lung von Modell­pa­rame­tern, die für größere Flächeneinhei­ten integral aus den punk­tuell oder teilflächenbezogen vorgegebenen Systemeigen­schaften bestimmt werden müssen. Außerdem muss für größere Be­rechnungszeit­schrittweiten zumindest im statistischen Mittel der zeitinter­vallinterne Verlauf der Änderung der Systemeingangs­größen (Nie­derschlag, Verdunstung) und der Sy­stemzustände (Ve­ge­tations­ent­wicklung) berücksichtigt werden können. Es hat sich gezeigt, dass konzeptionelle Modelle bei vielen Aufgabenstellungen gut geeignet sind, mit einem vergleichsweise geringen Aufwand die in größeren Gebieten bzw. ganzen Flusssystemen ablaufenden Prozesse zu beschreiben und auch längere Zeitreihen, z.B. im Rahmen von Szenarioanalysen u.ä. zu simulieren, die dann statistisch analysiert werden können.


01.3 Anforderungen an die hydrologische Software

Wie eingangs erläutert, steigen die Anforderungen an die Wasserwirtschaft und damit letztlich auch an die hydrologische Modellierung. Es sind Probleme zu lösen,

  • die Modellanwendungen in den unterschied­lichsten Raum- und Zeitmaßstäben mit den ent­spre­chenden räumlichen und zeitlichen Dis­kretisierungen erfordern,
  • bei denen die unterschiedlichsten Datengrundlagen zur Verfügung stehen und
  • bei denen unterschiedliche hydrologische Prozesse im Vordergrund stehen (Was­serhaus­halt, Abfluss, Hochwasserprognose; Langfristsimulation usw.).

Dieser Aufgabenumfang ist durch Einzelmodelle bzw. Universalprogramme nicht mehr abdeckbar.

Die Anzahl unterschiedlicher Mo­del­le für die glei­chen Prozesse bzw. Aufgaben, die sich bzgl. der verwendeten Algorithmen kaum unterscheiden, wächst. So fällt zum einen dem Modellan­wender die Wahl des für ihn adäquaten Modells zunehmend schwe­rer und zum anderen steigt für den Mo­dellentwickler der Aufwand für die Programmierung gra­phischer Programmober­flächen, für Datenbank- und GIS-Schnittstel­len, während die eigentliche Modellentwicklung in den Hintergrund tritt.

Hieraus sind folgende Anforderungen an neue hydrologische Softwareentwicklungen abzulei­ten:

Benötigt werden nicht vordergründig neue Modelle, sondern variable, hydrolo­gische Modellie­rungssysteme, die

  1. über definierte Schnittstellen die Einbindung hydrologi­scher Gesamt­mo­delle bzw. Teilprozessmodelle gestatten,
  2. je nach Problemstellung, Maßstabsbereich und verfügbarer Datenbasis eine Ver­knüp­fung unter­schied­li­cher Teil­mo­delle zu einem neuen Gesamt­modell gestat­ten,
  3. über eine nutzerfreundliche, graphische Oberfläche verfügen und damit zu einer Erleichterung der Modellbedienung beitragen und diese vereinheitlichen,
  4. über Schnittstellen den Datenzugriff auf externe Datenbanken gestatten, und zwar zu den raumbezogenen Daten (GIS), den zeitbezogenen Daten und weite­ren, beispiels­weise Wissens- und Methodenbanken.
  • Benötigt werden physikalisch fundierte, modulare Modelle, deren Modellparameter in definier­ter Beziehung zu Rauminformationen stehen und aus diesen abgeleitet werden können.
  • Benötigt werden definierte Datenschnittstellen zu GIS und Programme, die die Er­stel­lung der GIS-Datenbasis unterstützen.

Bei einer konsequenten Umsetzung dieser Anforderungen können klassische Elemente von Nutzeroberflächen hydrologischer Programme in Zukunft entfallen. Dies betrifft:

  1. Systempläne zur Festlegung von Verknüpfungen zwischen Systemelementen (Teilgebiete, Gewässerstrecken, etc.) und zur Erstellung der Abarbeitungshierarchie, die effektiver direkt im GIS organisiert werden können, zumal alle Mengenflüsse raumbezogen sind.
  2. Tabellen zur Eingabe, Visualisierung und Editierung von Modellparametern. Bei physikalisch fundierten Modellansätzen stehen die Parameter in direkter und eindeutiger Beziehung zu den Flächeneigenschaften, die als Flächenattribute (z.B. Bodenform, Nutzungstyp) direkt im GIS verwaltet werden und effektiv abgerufen und verarbeitet werden können.
  3. Tabellen mit flächenbezogenen Modellergebnissen, die wiederum im GIS visualisiert werden können und durch die hier gegebenen Möglichkeiten, u.a. den Vergleich mit den räumlichen Verteilungen der hydrologisch relevanten Flächeneigenschaften (z.B. Bodenform, Nutzungstyp), besser analysiert werden können.
  4. Wenn also zur Beschreibung der räumlichen Heterogenität der hydrologischen Systeme flächendifferenzierte Modelle eingesetzt werden und diese eng gekoppelt an ein GIS arbeiten, dann ist naheliegend, diese Modelle ebenfalls unter einer GIS-Oberfläche arbeiten zu lassen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich durch den Einsatz von GIS in der hydrologischen Modellierung neue Möglichkeiten zur Nutzung raumbezogener Informationen ergeben. Es stellen sich aber auch neue Anforderungen an die Mo­dellierung. Die räumliche Modelldiskretisierung, die Modellparamete­rer­mittlung und die Ergebnisvisualisierung lassen sich effektiver gestalten – insbesondere kann die Ermittlung der Mo­dellparameter objek­ti­vie­rt werden. Andererseits ergeben sich durch den GIS-Einsatz und dem damit einherge­henden Trend zu auto­ma­ti­sier­baren Vor­ge­hens­wei­sen bei der Modellierung auch gewisse Risiken, die umfassende Plausibilitätsprüfungen bei Eingangsdaten und Modellergebnissen fordern. Für sie bietet sich bei raumbezogenen Daten wiederum der GIS-Einsatz an.