Die Entwicklungen in der Computertechnik, im Hard- und Softwarebereich ermöglichen die Anwendung neuer Konzepte in der wasserwirtschaftlichen Praxis, in der Hydrologie und nicht zuletzt auch in der hydrologischen Forschung und Modellierung. Zu diesen Entwicklungen zählen:
Die neuen Informationsgewinnungstechnologien können hochaufgelöste Flächeninformationen (z.B. der Landnutzung, Schneebedeckung) liefern, die für das Umweltmonitoring geeignet, ohne entsprechende Hard- und Software für diese Zwecke aber nicht handhabbar sind.
Der Zustand der Umwelt und erkennbare Entwicklungstrends im Umweltbereich machen die Anwendung dieser neuen Konzepte zwingend erforderlich, insbesondere zur Untersuchung des hydrologischen Regimes und der Verfügbarkeit der Wasserressourcen nach Menge und Qualität sowie ihrer Veränderungen infolge von Klima-, Landnutzungs- und Wasserbewirtschaftungsänderungen. Aufbauend darauf geht es dann um die Entwicklung von Konzeptionen
Eines dieser neuen Konzepte schließt die umfassende Nutzung Geographischer Informationssysteme (GIS) mit ein. GIS werden in der wasserwirtschaftlichen Praxis schon vielfach und im wachsenden Maße eingesetzt, weil wasserwirtschaftliche Problemstellungen raumbezogen sind bzw. sich auf Punkte, Linien und Flächen und damit auf die Geometrieelemente eines GIS beziehen. So sind für Flusseinzugsgebiete Wasser- und Stoffbilanzen aufzustellen oder Bewirtschaftungsrichtlinien zu entwickeln, für Flussläufe Längsschnittbilanzen zu erarbeiten, Überflutungsflächen auszuweisen oder Wellenabflachungen zu berechnen und für Pegel, also punktbezogen, Daten zu erheben, zu verwalten und zu analysieren.
GIS werden eingesetzt als Informationssysteme und zur Recherche, z.B. über die räumliche Verteilung von Messeinrichtungen, Wassernutzern, Einleitern etc. Sie stellen meist eine wertvolle bzw. notwendige Unterstützung wasserwirtschaftlicher Datenbanken dar, wobei u.a. die Visualisierungsmöglichkeiten eines GIS sinnvoll genutzt werden können.
Eine Reihe von Funktionalitäten eines GIS gestatten umfangreiche Datenanalysen. So können vorhandene Daten ausgewertet werden, z.B. im Hinblick auf die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Zustände, Extremereignisse o.ä. in den betrachteten Räumen. Auch lässt sich leicht die Anzahl bestimmter Nutzer in Flussgebieten ermitteln, wobei Datenbankfunktionalitäten durch neue GIS-Funktionalitäten ergänzt werden.
Es können aber auch neue Informationen gewonnen werden, z.B. durch Verschneidung und Verknüpfung verschiedener Karten miteinander, die bei getrennter Analyse der Ausgangskarten nur bedingt ableitbar wären.
Die genannten Einsatzmöglichkeiten eines GIS sind natürlich besonders effizient in der hydrologischen Modellierung nutzbar. Ausführlicher erläutert werden soll im Folgenden die Modellierung des Wasserhaushalts und des Niederschlag – Abfluss – Prozesses in Flusseinzugsgebieten, für die ein GIS eingesetzt werden kann
Der GIS-Einsatz bietet sich hier besonders an, weil verschiedene raumbezogene Daten analysiert und miteinander verknüpft werden müssen. So liegen die Messreihen der Eingangsgrößen (z.B. Niederschlag und potentielle Verdunstung) i.d.R. als punktbezogene Werte vor. Diese müssen auf die zu modellierenden Flächen (Untersuchungsgebiet, Teileinzugsgebiete oder kleiner) übertragen werden. Die im Gebiet stattfindenden hydrologischen Prozesse (z.B. die Verdunstung und Abflussbildung) sind flächenbezogen. Der auf Einzelstandorten und Elementarflächen im Einzugsgebiet entstehende Abfluss konzentriert sich zunächst linienförmig in Gräben und im Gewässersystem und wird letztlich für Pegel berechnet, wo er punktbezogen mit Messwerten verglichen werden kann.
Für die Modellierung kann ein Einzugsgebiet als offenes System aufgefasst werden, dessen Systemverhalten durch raum- und zeitvariable Systemeingänge und -eigenschaften bestimmt wird und dessen Systemausgänge dadurch auch raum- und zeitvariabel sind.
Folgende, raumbezogene Basisinformationen sind relevant:
Diese Rauminformationen können effektiv in einem GIS bereitgestellt, analysiert und erweitert werden. So lassen sich mit Hilfe eines digitalen Höhenmodells (DHM) aus den Höheninformationen weitere, hydrologisch relevante Flächeneigenschaften wie Gefälle und Exposition ableiten. Diese Basisdaten werden sachbezogen verwaltet und bilden die Informationsebenen des GIS.
Durch die eingangs erwähnten neuen Gewinnungstechnologien können Informationen in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung bereitgestellt werden. GIS in Verbindung mit leistungsfähiger Hardware bieten die Möglichkeit, die räumlich hoch aufgelösten Informationen umfassend zu nutzen.
Die Anwendung von GIS ist in der hydrologischen Einzugsgebietsmodellierung dann besonders nützlich und sinnvoll, wenn die Modelle physikalisch und biologisch begründet sind und ihre Parameter aus flächendifferenzierten Informationen über die Gebietseigenschaften, wie sie zuvor genannt wurden, abgeleitet werden können. Dies gilt vor allem für flächendifferenzierte Modelle mit verteilten Parametern. Mit solchen Modellen sind auch verbesserte Möglichkeiten zur Beschreibung unbeobachteter Gebiete und zur Bewertung der Auswirkungen möglicher Klima- und Landnutzungsänderungen auf die hydrologischen Prozesse gegeben.
Die Simulationsgüte der Modelle hängt entscheidend von der Verfügbarkeit von Informationen über die zeitliche und räumliche Variabilität der Systemeingänge, -eigenschaften und -zustände ab. Allerdings ist eine vollständige physikalisch determinierte Beschreibung aller Teilprozesse, speziell in größeren Systemen bzw. Gebieten, meist weder sinnvoll noch möglich. Refsgard (1981) schreibt zu diesem Problem: „Ein Einzugsgebiet ist ein extrem kompliziertes Natursystem, von dem wir nicht annehmen können, es exakt in allen Details beschreiben zu können.“
Deshalb umfassen die physikalisch determinierten Modellansätze je nach ihrer Detailliertheit ein Spektrum, das von den sogenannten Prozessmodellen bis zu den konzeptionellen Modellen reicht (bei fließenden Übergängen).
Detaillierte Prozessmodelle besitzen physikalisch begründete, meist direkt messbare Parameter. Ihre Anwendung scheitert oft an der unzureichenden Verfügbarkeit der Parameter in ihrer räumlichen (und z.T. zeitlichen) Verteilung. Von gleicher, oft entscheidenderer Bedeutung ist die Notwendigkeit der flächendifferenzierten Erfassung bzw. Prognose der prozessdominierenden Eingangsgrößen Niederschlag/Schneeschmelze. Schilling & Harms (1983) zeigten z.B., dass eine flächendifferenzierte Modellierung primär in Abhängigkeit von der Flächendifferenzierung der meteorologischen Eingangsgrößen erfolgen sollte. Sie stellten fest, dass sehr detaillierte, räumlich hoch aufgelöste Modellansätze ohne Berücksichtigung der örtlichen Niederschlagsverteilung größere Fehler lieferten als einfachste Blockmodelle mit Berücksichtigung der Niederschlagsverteilung. Diese Tatsache muss bei der Modellwahl unbedingt beachtet werden.
Konzeptionelle Modelle sind durch notwendige und sinnvolle Vereinfachungen und Modellreduktionen aus detaillierten Prozessmodellen hervorgegangen oder beschreiben die hydrologischen Prozesse mit Hilfe von Analogien (z.B. Einzellinearspeicher). Speziell bei der Anwendung auf größere, wasserwirtschaftlich relevante Flächeneinheiten (Einzugsgebiete, Flussgebiete usw.) haben sie ihre Zweckmäßigkeit unter Beweis gestellt. Es hat sich u.a. gezeigt, „dass die auf den Grundgesetzen der Kontinuumsmechanik basierenden Modelle zu komplex sind, um der räumlich differenzierten Natur der hydrologischen Systeme gerecht zu werden“(Dooge 1985). Ein Nachteil einiger früher angewendeter konzeptioneller Modelle ist es, dass ihre Modellparameter teilweise keinen direkt messbaren physikalischen Bezug besitzen. Inzwischen gibt es jedoch ein Spektrum leistungsfähigerer Modelle, die diesen Mangel nicht aufweisen.
Bei der Modellbildung ist dem Maßstabsproblem besondere Beachtung zu schenken. So sind beispielsweise bei mittelmaßstäbigen mesoskaligen Einzugsgebietsmodellierungen prinzipiell beide zuvor erläuterten Modellierungsalternativen anwendbar:
Bei der zweiten Variante wird das Niveau der lagegerechten Berücksichtigung von Teilflächen wesentlich gröber angesetzt, z.B. in der Ebene von Niederschlagszonen oder Teileinzugsgebieten, während unterhalb dieser Ebene Heterogenitäten ortsunabhängig über ihre Flächenanteile oder statistische Verteilungsfunktionen in die Modellierung eingehen.
Für eine Vielzahl von Aufgabenstellungen werden konzeptionelle Modelle gewählt, weil einerseits die Verfügbarkeit der Daten in ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung nicht dem zur detaillierten Beschreibung der hydrologischen Einzelprozesse bestehenden Bedarf entspricht, andererseits die meso- und makromaßstäblich ablaufenden Prozesse mit ihnen effektiver erfasst und beschrieben werden können. Insbesondere für mittelmaßstäbige bis großräumige Langfristsimulationen ist diese Verfahrensweise angeraten, weil weniger Zeitschritte und weniger Teilflächen mit einfacheren Modellen zu bearbeiten sind. Das Hauptproblem besteht bei diesem Modellierungsverfahren in der Ermittlung von Modellparametern, die für größere Flächeneinheiten integral aus den punktuell oder teilflächenbezogen vorgegebenen Systemeigenschaften bestimmt werden müssen. Außerdem muss für größere Berechnungszeitschrittweiten zumindest im statistischen Mittel der zeitintervallinterne Verlauf der Änderung der Systemeingangsgrößen (Niederschlag, Verdunstung) und der Systemzustände (Vegetationsentwicklung) berücksichtigt werden können. Es hat sich gezeigt, dass konzeptionelle Modelle bei vielen Aufgabenstellungen gut geeignet sind, mit einem vergleichsweise geringen Aufwand die in größeren Gebieten bzw. ganzen Flusssystemen ablaufenden Prozesse zu beschreiben und auch längere Zeitreihen, z.B. im Rahmen von Szenarioanalysen u.ä. zu simulieren, die dann statistisch analysiert werden können.
Wie eingangs erläutert, steigen die Anforderungen an die Wasserwirtschaft und damit letztlich auch an die hydrologische Modellierung. Es sind Probleme zu lösen,
Dieser Aufgabenumfang ist durch Einzelmodelle bzw. Universalprogramme nicht mehr abdeckbar.
Die Anzahl unterschiedlicher Modelle für die gleichen Prozesse bzw. Aufgaben, die sich bzgl. der verwendeten Algorithmen kaum unterscheiden, wächst. So fällt zum einen dem Modellanwender die Wahl des für ihn adäquaten Modells zunehmend schwerer und zum anderen steigt für den Modellentwickler der Aufwand für die Programmierung graphischer Programmoberflächen, für Datenbank- und GIS-Schnittstellen, während die eigentliche Modellentwicklung in den Hintergrund tritt.
Hieraus sind folgende Anforderungen an neue hydrologische Softwareentwicklungen abzuleiten:
Benötigt werden nicht vordergründig neue Modelle, sondern variable, hydrologische Modellierungssysteme, die
Bei einer konsequenten Umsetzung dieser Anforderungen können klassische Elemente von Nutzeroberflächen hydrologischer Programme in Zukunft entfallen. Dies betrifft:
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich durch den Einsatz von GIS in der hydrologischen Modellierung neue Möglichkeiten zur Nutzung raumbezogener Informationen ergeben. Es stellen sich aber auch neue Anforderungen an die Modellierung. Die räumliche Modelldiskretisierung, die Modellparameterermittlung und die Ergebnisvisualisierung lassen sich effektiver gestalten – insbesondere kann die Ermittlung der Modellparameter objektiviert werden. Andererseits ergeben sich durch den GIS-Einsatz und dem damit einhergehenden Trend zu automatisierbaren Vorgehensweisen bei der Modellierung auch gewisse Risiken, die umfassende Plausibilitätsprüfungen bei Eingangsdaten und Modellergebnissen fordern. Für sie bietet sich bei raumbezogenen Daten wiederum der GIS-Einsatz an.