In einem Untersuchungsgebiet werden entsprechend der gewünschten räumlichen Differenzierung der Ergebnisse zunächst im allgemeinen Teileinzugsgebiete für ausgewählte Gewässerstrecken, Fluss- oder Geländeprofile (problemadäquate Diskretisierung) und für verfügbare Pegel (informationsadäquate Diskretisierung) ausgegliedert. Unter Verwendung geeigneter Modellansätze kann die Abflusskonzentration integral für einzelne Teileinzugsgebiete beschrieben werden.
Im klassischen EGMO werden die Abflusskonzentrationsprozesse getrennt nach Abflusskomponenten je Teilgebiet beschrieben. Der Landoberflächenabfluss, einschließlich der Abflussprozesse im Gewässersystem wird dabei über eine Systemantwortfunktion (Faltung mit Impulsantwort) beschrieben, die unterirdischen Abflusskonzentrationsprozesse über Einzellinearspeicher- und ggf. Translationsansätze.
Für eine Vielzahl von Problemstellungen ist diese Vorgehensweise ausreichend und effizient.
Sind differenziertere Probleme zu lösen, die detaillierte und flächenbezogene Aussagen zu Einzelprozessen erfordern (z.B. Erosion), bietet es sich an, die landoberflächen-, gewässer- und grundwassergebundenen Abflusskonzentrationsprozesse getrennt zu modellieren und die entsprechenden Konzentrationsräume adäquat zu untergliedern (Diskretisierung von Flussstrecken in Teilabschnitte, Gebietsflächen in Teilflächen wie Hydrotope, Hydrotopklassen o.ä.).
Abflusskonzentration im Gewässersystem
Für detaillierte hydrologische oder hydraulische Abflussberechnungen im Gewässernetz wird dieses in Gewässerabschnitte untergliedert. Die Untergliederung erfolgt so, dass Systemknoten als Begrenzungen eines Gewässerabschnittes durch die Verzweigungen des Gewässernetzes (informations- und prozessadäquat), durch Aussageprofile (problemadäquat) und Pegel (informationsadäquat) gebildet werden. Eine Verfeinerung dieser Untergliederung erfolgt dann, wenn signifikante Wechsel der Systemeigenschaften (Gefälle, Rauhigkeit[1]) innerhalb eines Abschnittes zu verzeichnen sind (prozessadäquat).
Mit dieser Untergliederung wird erreicht, dass
- die prinzipielle Struktur des Gewässersystems erhalten bleibt,
- Aussagen für festzulegende Gewässerprofile möglich sind,
- ein Vergleich mit gegebenen Abflussbeobachtungen gewährleistet ist,
Eine angemessene Untergliederung impliziert, dass von einer hinreichenden Homogenität der Charakteristiken ausgegangen werden kann.
Abflusskonzentration auf der Landoberfläche
Den ausgegliederten Gewässerabschnitten sind ihre jeweiligen Eigeneinzugsgebiete zuzuordnen, die im allgemeinen aus zwei Abflusskaskaden gebildet werden – einer linken und einer rechten, bei Quellgebieten zusätzlich einer oberen. Diese Kaskaden sind dadurch gekennzeichnet, dass zwischen benachbarten Kaskaden keine Massenflüsse existieren (analog Stromröhre) und dass sie an einer Kammlinie beginnen und an einer Tallinie (i.d.R. Flusslauf) enden.
Eine Kaskade kann weiter in Segmente untergliedert werden, wenn teilflächenbezogene Unterschiede im Wasserhaushalt, speziell im Landoberflächenabfluss und durch diesen bedingte Wechselwirkungen von Flächen innerhalb einer Kaskade detaillierter erfasst werden sollen. Die Segmentgrenzen sind so zu wählen, dass jedes Segment genau ein unterliegendes Segment besitzt oder in den entsprechenden Flussabschnitt entwässert. Die Gliederung in Segmente ist insbesondere notwendig, wenn
- Aussagen über Abflussprozesse innerhalb von Kaskaden gemacht werden sollen, z.B. über Abtrags- und Ablagerungsprozesse, und wenn die Beschreibung von Eintragspfaden im Vordergrund der Untersuchungen steht (problemadäquat),
- Kaskaden durch signifikante „Störungen“ (z.B. Straßen u.ä) unterteilt werden (prozessadäquat),
- durch eine Segmentierung eine exaktere Beschreibung lateraler Abflussprozesse möglich wird. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn in einer Kaskade „geordnete“ Eigenschaftsmuster erkennbar sind und sich eindeutige Wechselwirkungen (laterale Abflussprozesse) zwischen ihnen determiniert erfassen lassen – wie z.B. beim klassischen Zonenkonzept (Hochflächen, Hänge, Talauen) (prozessadäquat).
Sofern in der Vertikalprozess-Domäne eine Gliederung in Hydrotope erfolgt (s.u.), können auch diese zur Segmentierung genutzt werden, was dann die modelltechnische Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Hydrotopen gestattet. In der Regel wird eine Kaskade aus einer Talaue, einem Hang und einer Hochfläche bestehen, deren Unterschiede im hydrologischen Regime (s. Tabelle 2.3‑1) ortsbezogen im Rahmen der Gebietsgliederung berücksichtigt werden können. Diese Unterschiede werden i.a. in erster Linie durch das Gefälle und den Grundwasserflurabstand geprägt.
Tabelle 2.3‑1: Allgemeine Kennzeichnung von Unterschieden im hydrologischen Regime einer Talaue, eines Hanges und einer Hochfläche
Talaue | Hang | Hochfläche | |
Gewässerabstand | gering | talformabhängig | groß |
Grundwasserflurabstand | gering | mittel bis groß | groß |
Gefälle | gering | mittel bis groß | groß |
Direktabflussbildung | von Sättigungsflächen | bei Starkregen | gering |
Direktabflusswirksamkeit | groß bei hohem Grundwasserstand | groß | gering |
Verdunstung | i.d.R. potentiell | feuchteabhängig | feuchteabhängig |
Grundwasserneubildung | gering | mittel bis groß | mittel bis groß |
Abflusskonzentration im Untergrund – Grundwasserabfluss
Die räumliche Gliederung zur Beschreibung der Abflussprozesse im Untergrund erfolgt wiederum problem- und prozessadäquat. Stehen reine Mengenbetrachtungen im Vordergrund, so ist vielfach aufgrund der geringen Abflussdynamik eine Beschreibung mit Linearspeicheransätzen möglich, was eine relativ grobe räumliche Strukturierung ermöglicht, aber auch erfordert. Hier bietet sich eine Modellierung auf Basis von Teileinzugsgebieten an, weil nur für beobachtete Teileinzugsgebieten die Einzellinearspeicherkonstanten abgeleitet werden können.
Sollen auch Stofftransportprobleme beschrieben werden, ist bei der Grundwassermodellierung aus problemtechnischen und aus Stabilitätsgründen oft eine sehr feine Diskretisierung, z.B. in finite Elemente, notwendig.
[1] Fließquerschnitt, wie z.B. an Wehren, Stromschnellen, Flussseen o.ä.