Die Simulationsgüte von physikalisch begründeten Modellen hängt entscheidend von der Verfügbarkeit von Informationen über die zeitliche und räumliche Variabilität der Systemeingänge, -eigenschaften und -zustände ab. Speziell bei flächendifferenzierten (gegliederten) Modellen ist es sinnvoll und notwendig, eine der Problemstellung, den hydrologischen Bedingungen und der Dimension des Untersuchungsraumes (örtlich und zeitlich) adäquate Diskretisierung zu wählen.
Das Ziel dabei ist es, die Diskretisierung problemadäquat (so detailliert wie nötig), informations- und prozessadäquat (so detailliert wie möglich) vorzunehmen.
Problemadäquate Diskretisierung heißt, dass eine der Zielstellung der Modellierung entsprechende räumliche Differenzierung der Ergebnisse ermöglicht wird, z.B. für vorgegebene Pegel, Gewässerstrecken, Geländeprofile.
Informationsadäquate Diskretisierung heißt, dass die Diskretisierung grundsätzlich entsprechend der räumlichen Variabilität und Verfügbarkeit der Eingangsdaten und Prozessparameter erfolgt. Hierbei sind allerdings gewisse, schwer zu quantifizierende Abhängigkeiten zu beachten. So ist es nicht sinnvoll, bei der Nutzung von Satellitendaten (z.B. für die Vegetationsbedeckung) die räumliche Modelldiskretisierung entsprechend der hier teilweise verfügbaren Auflösung (30*30m Grids) zu wählen, wenn auf der anderen Seite die Auflösung anderer, hydrologisch relevanter Daten wesentlich gröber ist.
Prozessadäquate Diskretisierung heißt, dass für die verschiedenen hydrologischen Teilprozesse solche Flächengliederungen gewählt werden, die „homogene“ Systemantworten erwarten lassen. Die Systemantworten werden durch die Eigenschaften des Systems bestimmt. Es ist sinnvoll, für unterschiedliche Teilprozesse unterschiedliche Diskretisierungen zu wählen, weil die einzelnen Systemeigenschaften (Boden, Vegetation, Gefälle, …) in unterschiedlicher Weise auf die verschiedenen hydrologischen Teilprozesse wirken und sich bezüglich ihrer räumlichen Verteilung, aber auch ihrer räumlichen Heterogenität unterscheiden. Eine unterschiedliche räumliche Diskretisierung für verschiedene Teilprozesse erfordert wiederum eine adäquate Strukturierung des Modells.
Dies erfordert für die Modellierung:
- eine adäquate Strukturierung des Modells,
- entsprechende Diskretisierungstechniken,
- die Organisation der Datenflüsse zwischen den in unterschiedlichen Raumeinheiten arbeitenden Teilmodellen über Raumbezüge.
Dabei bietet sich die Anwendung Geographischer Informationssysteme (GIS) direkt an, deren Funktionalität auch eine effektive räumliche Diskretisierung gestattet.
Ein entscheidender Schritt bei der Strukturierung hydrologischer Einzugsgebietsmodelle ist die Untergliederung des Modells in die beiden Domänen Abflussbildung (vertikale Prozesse) und Abflusskonzentration (laterale Prozesse) (Becker und Nemec 1987). Grundsätzlich sind weitere Unterteilungen in weitere Modellebenen jederzeit möglich.
Jede Modellebene besitzt eine spezifische Diskretisierung in Raumelemente entsprechend der räumlichen Variabilität der maßgeblichen, prozessbeeinflussenden Raumeigenschaften (s. Tabelle 2.2‑1). Diese sind bei den vertikalen Prozessen primär die Landnutzung und Landbedeckung (Vegetationstypen), sowie die Bodentypen und die Topographie, bei den lateralen Prozessen hingegen primär die Topographie und die hydrologischen Bedingungen im Untergrund.
Im Mittelpunkt der folgenden Darlegungen steht die Diskretisierung für die einzelnen Teilprozesse in den verschiedenen zu betrachtenden Modellebenen. Eine Beschreibung spezifischer Teilmodelle erfolgt im Teil II dieser Dokumentation.
Tabelle 2.2‑1: Raumbezogene Informationen und Modellstrukturen
Beispiele für Rauminformationen | Domäne | Teilprozess | Ebene |
Höhe, Exposition, Gefälle | Abflussbildung (vertikal) |
Hydrometeorologie | MET |
Landnutzung, Boden, Grundwasserflurabstand | Interzeption, Infiltration,Perkolation, Verdunstung | ABI | |
Fließlänge, Geländegefälle, Landnutzung (Rauhigkeit) | Abfluss-konzentration (lateral) | – auf der Landoberfläche | RD |
Fließlänge, Gerinnegefälle, Gerinnerauhigkeit | – im Gewässer | Q | |
Fließlänge, Geologie | – im Untergrund (Grundwasserströmung) | RW |
Jedem Raumelement können adäquate Teilprozessmodelle zugeordnet werden. Die Datenflüsse zwischen den Raumelementen einer Ebene und zwischen den verschiedenen Ebenen werden über Bezüge in der GIS-Datenbasis organisiert. Eine Übersicht über die Modellstrukturierung gibt Abbildung 2.2‑1.
Abbildung 2.2‑1: Mehr – Ebenen – Modellkonzept
Je nach der zu lösenden Aufgabenstellung kann das Untersuchungsgebiet ein Flussgebiet sein, wenn der Abfluss bzw. seine Konzentration im Vordergrund steht, oder eine beliebig geformte Landflächeneinheit, wenn die Abflussbildung bzw. die Wasserhaushaltskomponenten des hydrologischen Regimes (z.B. Verdunstung, Bodenfeuchte oder Tiefenversickerung) Ziel der Untersuchung sind.