Grundprinzip dieses Ansatzes ist die Verarbeitung von Zeitfunktionen zur Beschreibung der innerjährlichen bzw. mehrjährigen Dynamik der beiden, für den Gebietswasserhaushalt wichtigen, vegetationsspezifischen Parameter Wurzeltiefe und Blattflächenindex LAI. Diese Funktionen werden für die einzelnen Vegetationstypen entweder über äqui- bzw. nichtäquidistante Stützstellen oder als Jahres- bzw. Monatsmittelwerte eingelesen. Bei der Vorgabe von Stützstellen werden die benötigten Tageswerte über eine lineare Interpolation ermittelt. Ist für einen Landnutzungstyp ein maximaler Bedeckungsgrad Bmax von weniger als 100 % (bzw. für eine Elementarfläche eine Bestandesdichte von Bd < 1) angegeben, so wird der über die Zeitfunktion eingelesenen Blattflächenindex entsprechend reduziert.
Die Landnutzungskennwerte Versiegelungsgrad und Oberflächenrauhigkeit werden wie im statischen Ansatz (Kap. 4.2) betrachtet. Wie auch für die allgemeinen Landnutzungsparameter bietet das Modell für die meisten dynamischen Landnutzungstypen auf Literaturwerten (z.B. LfZ, 2011) basierende Standard-Zeitfunktionen zu Wurzeltiefe und Blattflächenindex.
Die aktuelle Interzeptionskapazität und der aktuelle Bodenbedeckungsgrad B werden wie im statischen Modell in Abhängigkeit vom Blattflächenindex LAI nach den Gleichungen (7) und (8) berechnet.
Der vegetationsabhängige Korrekturfaktor fLN der potenziellen Verdunstung berechnet sich in Abhängigkeit vom aktuellen Blattflächenindex LAI zu:
fLNmin/max landnutzungsspezifischer minimaler und maximaler Korrekturfaktor der potenziellen Verdunstung
f(LAI) Funktion zur Korrektur der Grasreferenzverdunstung in Abhängigkeit vom aktuellen LAI
Für die Beschreibung des Anstiegs der Verdunstungskorrektur bis zum Erreichen des maximalen Blattflächenindex kann zwischen drei Funktionen gewählt werden (Abb. 4‑2):
1 linear bzgl. LAI=3,5 (Bestandesschluss): MIN(1., LAI / 3.5
2 linear bzgl. LAImax: =(LAI / LAImax)
3 exponentiell bzgl. LAImax: (1 – exp(-(LAI²) / LAImax))

Abb. 4‑2: Funktionen zur Korrektur der Grasreferenzverdunstung in Abhängigkeit vom aktuellen LAI und dem maximalem Blattflächenindex LAImax
Über den Faktor fsoil wird das Ertragspotenzial EP eines Standortes berücksichtig (Adaption der Vegetation an die Standortbedingungen). Es wird zwischen drei Klassen unterschieden (Tabelle 4‑1), die auch zu unterschiedlichen Durchwurzelungstiefen ein und derselben Vegetationsart führen (Abb. 4‑2).
Tabelle 4‑1: Ertragspotenzial EP in Abhängigkeit von der Ackerzahl
EP | Ackerzahl | fsoil | Kriterien |
1 (gering) | <50 | 1 | Geringe Durchwurzelungstiefe, hoher Ton- und/oder Sandanteil, hoher Skelettanteil, geringer pH-Wert, geringer Gehalt an pflanzenverfügbarem Wasser, vernässt |
2 (mittel) | 50 – 65 | 1 | Mittlere Durchwurzelungstiefe, sandig-lehmige bis schluffig-tonige Textur, mittlerer Gehalt an pflanzenverfügbarem Wasser, zeitweise vernässt, geringer pH-Wert |
3 (hoch) | 65…100 | 1,2 | Hohe Durchwurzelungstiefe, sandig-lehmige bis schluffig-tonige Textur, hohe Wasserspeicherkapazität, Kapillaraufstieg aus dem Grundwasser, geringer Steingehalt |
Die potenzielle Transpiration (Kapitel 2) steuert den täglichen Transpirationsentzug bis zur aktuellen Durchwurzelungstiefe. Limitiert wird er durch die nutzbare Feldkapazität der durchwurzelten Bodenschichten. In Abhängigkeit von der aktuellen Bodenfeuchte wird hierfür die Reduktionsfunktion RTR nach Chen (1993) genutzt (Gleichung 33 in Kapitel 4.4.3). Die Entzugsverteilung wird entweder über eine exponentielle Entzugsverteilungsfunktion (Gl. 31) oder beginnend von der Bodenoberfläche bis zur Bedarfsbefriedigung bzw. dem Erreichen der aktuellen Durchwurzelungstiefe realisiert.

Abb. 4‑3: Tabellenfunktion zur Beschreibung des mittleren innerjährlichen Ganges der Wurzelentwicklung auf Ackerflächen und interne Umsetzung im Modell bei Berücksichtigung des Ertragspotentials des Bodens