02.2 Räumliche Diskretisierung und grundlegendes Herangehen bei der Modellstrukturierung

Die Simulationsgüte von physikalisch begründeten Modellen hängt entscheidend von der Verfügbarkeit von Informationen über die zeitliche und räumliche Variabilität der Systemeingänge, -eigenschaften und -zustände ab. Speziell bei flächendifferenzierten (gegliederten) Modellen ist es sinnvoll und notwendig, eine der Problemstellung, den hydrologischen Bedingungen und der Dimension des Untersuchungsraumes (örtlich und zeitlich) adäquate Diskretisierung zu wählen.

Das Ziel dabei ist es, die Diskretisierung problemadäquat (so detailliert wie nötig), informations- und prozessadäquat (so detailliert wie möglich) vorzunehmen.

Problemadäquate Diskretisierung heißt, dass eine der Zielstellung der Modellierung entsprechende räumliche Differenzierung der Ergebnisse ermöglicht wird, z.B. für vorgegebene Pegel, Gewässerstrecken, Geländeprofile.

Informationsadäquate Diskretisierung heißt, dass die Diskretisierung grundsätzlich entsprechend der räumlichen Variabilität und Verfügbarkeit der Eingangsdaten und Prozessparameter erfolgt. Hierbei sind allerdings gewisse, schwer zu quantifizieren­de Ab­hän­gigkei­ten zu beachten. So ist es nicht sinnvoll, bei der Nutzung von Satel­li­tendaten (z.B. für die Vegetationsbedeckung) ­die räum­li­che Mo­dell­dis­kreti­sierung entspre­chend der hier teilweise verfüg­baren Auflösung (30*30m Grids) zu wäh­len, wenn auf der anderen Seite die Auflösung anderer, hydrologisch relevanter Daten wesent­lich gröber ist.

Prozessadäquate Diskretisierung heißt, dass für die verschiedenen hydrologischen Teilprozesse solche Flächengliederungen gewählt werden, die „homogene“ Systemantworten erwarten lassen. Die Systemantworten werden durch die Eigenschaften des Systems bestimmt. Es ist sinnvoll, für unterschiedliche Teilprozesse unterschiedliche Diskretisierungen zu wählen, weil die einzelnen Systemeigenschaften (Boden, Vegetation, Gefälle, …) in unterschiedlicher Weise auf die verschiedenen hydrologischen Teilprozesse wirken und sich bezüglich ihrer räumlichen Verteilung, aber auch ihrer räumlichen Heterogenität unterscheiden. Eine unterschiedliche räumliche Diskretisierung für verschiedene Teilprozesse erfordert wiederum eine adäquate Strukturierung des Modells.

Dies erfor­dert für die Modellierung:

  • eine adäquate Struk­turie­rung des Mo­dells,
  • entsprechende Diskretisierungs­techniken,
  • die Organisation der Datenflüsse zwischen den in unterschiedlichen Raumeinheiten arbeitenden Teilmo­dellen über Raumbezüge.

Dabei bietet sich die Anwendung Geographi­scher Informationssysteme (GIS) direkt an, deren Funktionalität auch eine effektive räumliche Diskretisierung gestattet.

Ein entscheidender Schritt bei der Strukturierung hydrologischer Einzugsgebietsmodelle ist die Untergliederung des Modells in die beiden Domänen Abflussbildung (ver­tika­le Prozesse) und Abflusskonzentration (laterale Prozesse) (Becker und Nemec 1987). Grundsätzlich sind weitere Unterteilungen in weitere Modellebenen jederzeit möglich.

Jede Modellebene besitzt eine spezifische Diskretisierung in Raumelemente entsprechend der räumlichen Variabilität der maßgeblichen, prozessbeeinflussenden Raumeigenschaften (s. Tabelle 2.2‑1). Diese sind bei den vertikalen Prozessen primär die Landnutzung und Landbedeckung (Vegetationstypen), sowie die Bodentypen und die Topographie, bei den lateralen Prozessen hingegen primär die Topographie und die hydrologischen Bedingungen im Untergrund.

Im Mittelpunkt der folgenden Darlegungen steht die Diskretisierung für die einzelnen Teil­prozesse in den verschiedenen zu betrachtenden Modellebenen. Eine Be­schreibung spezifi­scher Teilmodelle erfolgt im Teil II dieser Dokumentation.

 

Tabelle 2.2‑1: Raumbezogene Informationen und Modellstrukturen

Beispiele für Rauminformationen Domäne Teilprozess Ebene
Höhe, Exposition, Gefälle Abflussbildung
(vertikal)
Hydrometeorologie MET
Landnutzung, Boden, Grundwasserflurabstand Interzeption, Infiltration,Perkolation, Verdunstung ABI
Fließlänge, Geländegefälle, Land­nut­zung (Rau­hig­keit) Abfluss-konzentration (lateral) – auf der Land­ober­fläche RD
Fließlänge, Gerinnegefälle, Ger­innerauhig­keit  – im Gewässer  Q
Fließlänge, Geologie – im Untergrund (Grundwasserströmung) RW

 

Jedem Raumelement können ad­äquate Teil­prozessmo­delle zugeordnet werden. Die Datenflüsse zwischen den Raumelementen einer Ebene und zwischen den verschiedenen Ebenen werden über Bezüge in der GIS-Datenbasis organisiert. Eine Übersicht über die Modellstrukturierung gibt Abbildung 2.2‑1.

 

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Abbildung 2.2‑1: Mehr – Ebenen – Modellkonzept

 

Je nach der zu lösenden Aufgabenstellung kann das Untersuchungsge­biet ein Flussgebiet sein, wenn der Abfluss bzw. seine Konzentration im Vordergrund steht, oder eine beliebig geformte Landflächeneinheit, wenn die Abflussbildung bzw. die Wasserhaushaltskompo­nenten des hydrologischen Regimes (z.B. Verdunstung, Bodenfeuchte oder Tiefenversickerung) Ziel der Untersuchung sind.

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