B.1 Integration ins GIS-Datenmodell
Bei der Modellierung eines Flussgebietes ist es meist unumgänglich, Speicher, Talsperren, Hochwasserrückhaltebecken, Wehre, Seen etc., also Sonderbauwerke zu berücksichtigen. Die Gemeinsamkeit obiger Bauwerke und Anlagen ist es, dass sie Punkte innerhalb des Gewässernetzes beschreiben. Diese Bauwerke und Anlagen verändern die Dynamik des Abflussregimes, haben aber im Gegensatz zu Entnahmen und Einleitungen (s. Kapitel 5.4) keinen Bilanz verändernden Einfluss. Eine Ausnahme sind größere Seen, die jedoch noch besprochen werden.
Die prinzipielle Verfahrensweise zur Verwaltung solcher Sonderbauwerke ist wie folgt:
- Es wird ein neues PseudoCover mit Gewässerpunkten GWP eingeführt, wobei jeder GWP einem Raumelement (FGW, TG oder REG) der räumlichen Diskretisierung für die Abflusssimulation eindeutig zuordenbar sein muss.
- Für jeden GWP kann eine Routine bzw. ein Modul zur Beschreibung der Abflusstransformation festgelegt werden, z.B. zur Beschreibung eines Überfallwehres etc. Bezüglich dieser Module kann auf eine Bibliothek mit vorgefertigten Modulen zurückgegriffen werden oder es können nach dem Muster der Bibliotheksmodule eigene geschrieben werden.
- Die Berücksichtigung der GWP-Module innerhalb der Abflusssimulation erfolgt so, dass bei Abarbeitung des Fließgewässermodells geprüft wird, ob der untere Knoten des aktuell modellierten Gewässerabschnitts ein GWP ist. Ist dies nicht der Fall, wird wie in Abbildung B.1‑1 a) angedeutet, der Abfluss aus dem Abschnitt direkt dem Unterliegerzufluss Qz zugeordnet. Auf der rechten Seite dieser Abbildung ist dargestellt, dass bei einem Vorhandensein eines GWP’s sämtliche Zuflüsse in diesen über eine Transformationsfunktion Tf gesteuert an den Unterlieger weitergegeben werden.
Abbildung B.1‑1: Verknüpfungen innerhalb des Fließgewässermodells
Wie eine solche Transformationsfunktion aussieht, wird letztlich durch die Art des Sonderbauwerkes bestimmt. Denkbar ist, dass Steuerungsfunktionen zufluss- oder wasserstandsabhängig sind oder auf die Einhaltung gewissen Schwankungsbreiten des Abflusses ausgerichtet sind.
Eine Umsetzung dieser Vielzahl verschiedener Möglichkeiten in Module, die über eine Bibliothek sofort verfügbar sind, kann nur im Laufe der Zeit erfolgen.
Vorrangiges Ziel bei der Einführung von Gewässerpunkten als zusätzliche Option gegenüber den bisherigen Möglichkeiten von ArcEGMO war es deshalb, die softwaremäßigen Möglichkeiten zur Integration derartiger Module in die Abflusssimulation zu schaffen.
Wie dies zu erfolgen hat, wird im Weiteren anhand der Einbindung eines Moduls zur Beschreibung der Seeretention erläutert.
Die dabei verwendeten Algorithmen beruhen auf dem Vorhandensein einer Stauinhaltslinie zur Umsetzung der Zuflüsse in Volumenänderungen und letztlich Wasserstände. Für die Abflussermittlung wird eine Wasserstand-Abfluss-Beziehungen genutzt. Damit ist dieses Seeretentionsmodul ziemlich universell einsetzbar, da sich bei wasserstandsabhängigen Steuerungen meist statt der hydraulischen Kennwerte der Steuerungseinrichtungen wie Grundablass oder Überfall auch direkt eine Wasserstand-Abfluss-Beziehung angeben lässt.
Abbildung B.1‑2 zeigt die Steuertabelle gwp.sdf, die analog den anderen Strukturdefinitionsfiles z.B. für die Elementarflächen, den Aufbau der GWP-Tabelle und der zugeordneten RELATE-Tabellen zeigt.
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ###### Attribut-Tabellen ###################################################### GWP_PAT ASCII gwp_node.tab GWP_IDENTIFIKATION GWP-ID NODE_IDENTIFIKATION NODE-ID /* Zuordnung zu Gewaesserknoten X_WERT X-COORD /*ueber NODE_IDENTIFIKATION Y_WERT Y-COORD /*(s. FGW) oder X,Y-Koordinaten BEZUGSHOEHE HOEHE ANFANGSWASSERSTAND W_START MODUL_ZUR_ABFLUSSTRANSFORMATION MOD_TYP Kennwert1 ken1 Kennwert2 ken2 Kennwert3 ken3 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ###### Relate-Tabellen ######################################################## HAV_BEZIEHUNGEN ASCII hav /* hav ist DateiTyp-Bezeichnung */ RELATIVE_HOEHE HOEHE /* in [m] bezogen auf BEZUGSHOEHE, s.o.*/ OBERFLAECHE AREA /* in [m**2] */ VOLUMEN VOL /* in [m**3] */ +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ WQ_BEZIEHUNGEN ASCII wq /* wq ist DateiTyp-Bezeichnung */ WASSERSTAND W /* in [cm], bezogen auf Bezugshoehe */ ABFLUSS_MINIMUM Qmin /* in [m**3/s] */ ABFLUSS_ MAXIMUM Qmax /* in [m**3/s] */ +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Abbildung B.1‑2: Datei gwp.sdf – Strukturdefinition der Gewässerpunkttabelle
Abbildung B.1‑3 zeigt beispielhaft eine GWP-Tabelle. Die GWP-ID ist eine frei wählbare, aber eindeutige Nummer zur Identifizierung des GWP’s.
GWP-ID NODE-ID X-COORD Y-COORD HOEHE W_START ken1 ken2 ken3 MOD_TYP 23 33 551749 5983791 5.00 3.00 3000 0.0 1.5 1
Abbildung B.1‑3: Beispiel für eine Gewässerpunkttabelle
Soll für Testzwecke ein Gewässerpunkt mal deaktiviert werden, ohne dass die entsprechende Zeile komplett gelöscht wird, kann dass leicht geschehen, indem ihm der Modultyp 0 zugeordnet wird.
Die Angabe der Lagekoordinaten des GWP’s (X- und Y-COORD) dient ebenso wie die Angabe der NODE-ID des zugeordneten Gewässerknotens der Verknüpfung des GWP mit dem zugeordneten FGW (TG oder REG). Bei der Auswertung der Attribute wird folgende Rangfolge abgearbeitet. Wenn die NODE-ID belegt ist, wird diese verwendet. Wenn nicht, wie in Abbildung B.1‑4, wird versucht, über die X- und Y-Koordinaten eine Referenz zum nächstgelegenen Raumelement (Gewässerknoten, TG oder REG) der Abflussebene herzustellen.
GWP-ID X-COORD Y-COORD HOEHE W_START ken1 ken2 ken3 MOD_TYP 23 551749 5983791 5.00 3.00 3000 0.0 1.5 1
Abbildung B.1‑4: Beispiel für eine Gewässerpunkttabelle ohne NODE-ID
Die ersten beiden Möglichkeiten sollten dann Verwendung finden, wenn sich die zu beschreibenden Gewässerpunkte in guter Näherung auf wirkliche Punkte reduzieren lassen und die Abflusssimulation unter Nutzung eines Covers FGW erfolgt.
Eine dritte Möglichkeit zur Integration von Gewässerpunkten bzw. Sonderbauwerken gestattet über eine weitere Datei die Angabe einer beliebigen Anzahl von zufließenden Gewässerabschnitten bzw. Teileinzugsgebieten oder Regionen.
Diese dritte Möglichkeit wird dann aktiviert, wenn auch keine Koordinaten gegeben sind (s. Abbildung B.1‑5).
GWP-ID HOEHE W_START ken1 ken2 ken3 MOD_TYP 23 5.00 3.00 3000 0.0 1.5 1
Abbildung B.1‑5: Beispiel für eine Gewässerpunkttabelle ohne Koordinaten
Dann werden im Verzeichnis …GISRELATE für jeden Gewässerpunkt die Dateien GWP_<GWP-ID>.<Raumbezug(Q)> gesucht und sofern vorhanden zur Ermittlung der Zuflüsse zu diesem Gewässerpunkt verwendet. Innerhalb dieser Dateien (s. Abbildung B.1‑6) werden über das Steuerwort INPUT für den über die GWP-ID zugeordneten Gewässerpunkt die zufließenden Gewässerabschnitte bzw. (TGs oder REGionen) über ihre ID angegeben. Hinter dem Steuerwort INPUT ist noch die Anzahl der folgenden ID’s anzugeben.
Weiterhin ist es über diese dritte Möglichkeit auch die Beschreibung verzweigter Gewässerstrukturen und damit von komplexen Flussgebietsstrukturen im Tiefland möglich, indem über die Angabe eines ABZWEIGs eine Abflussaufteilung vorgenommen wird. Für einen Abzweig kann über eine WQ-Beziehung festgelegt werden, wieviel der zufließenden Wassermenge dem Unterlieger des Knotens (definiert über die Unterlieger-Zuordnung der zufließenden Gewässerstränge) und welcher Abfluss in einen Seitenstrang abgezweigt wird.
INPUT 3 Bitte beachten Sie, dass die Möglichkeit von Abflussverzweigungen nur unterstützt wird, wenn die Verknüpfungsmöglichkeit über die Node-ID und über die Lagekoordinaten nicht gegeben ist, in der gwp.sdf (s. Abbildung B.1‑2) NODE_IDENTIFIKATION und X_WERT, Y_WERT deaktiviert bzw. auskommentiert sind.
INPUT 25 26 27 ABZWEIG 34
Abbildung B.1‑6: Beispiel die Zuordnung GWP – FGW über eine separate Datei
Die weiteren Angaben in der Strukturdefinitionstabelle der Gewässerpunkte (s. Abbildung B.1‑2) enthält vorrangig Angaben, die auf das Grundmodul Seeretention zugeschnitten sind. So können z.B. die W-Q-Beziehungen, deren Wasserstandsangaben sich normaler Weise auf den Pegelnullpunkt beziehen, über die Angabe einer BEZUGSHOEHE in einen auf Meereshöhe bezogenen Höhenbereich gebracht werden. Außerdem kann als Startwert für die Retentionsberechnungen ein ANFANGSWASSERSTAND vorgegeben werden.
Weiterhin enthält die Strukturdefinitionstabelle der Gewässerpunkte (s. Abbildung B.1‑2) Angaben zu den RELATE-Tabellen im Verzeichnis …GISRELATE, derzeit die W-Q-Beziehungen und die Höhen-Oberflächen-Volumen-Beziehungen (HAV). Da bei diesen Tabellen von einer eineindeutigen Beziehung (1,1) zwischen GWP’s und Tabellen ausgegangen werden kann, wurde jede der W-Q- bzw. HAV-Beziehungen in einer getrennten Datei abgelegt, deren Dateinamen sich aus der GWP-ID (über die auch die Referenzierung erfolgt) und „.hav“ bzw. „.wq“ als Dateityp zusammensetzt. Abbildung B.1‑7 und Abbildung B.1‑8 zeigen beispielhaft Auszüge aus solchen Tabellen. Zu beachten ist hierbei, dass die Wasserstände in der WQ-Tabelle als auf den Pegelnullpunkt bezogene Höhen angegeben werden können (s. oben), vor allem aber wie in der Wasserwirtschaft üblich, in [cm] erwartet werden.
HOEHE AREA VOL 1.00 43.00 12345. 2.00 131.00 14567. ...
Abbildung B.1‑7: Beispiel einer HAV-Tabelle
W Qmin Qmax 70 0.83 1.16 75 1.05 1.50 ...
Abbildung B.1‑8: Beispiel einer WQ-Tabelle
Weiterhin enthält die Gewässerpunkttabelle (s. Abbildung B.1‑3) Angaben zum Algorithmus und Kennwerte der Abflusstransformation (MOD_TYP, ken1, ken2 und ken3 – Attributbezeichnungen definiert über <MODUL_ZUR_ABFLUSS-TRANSFORMATION>, <Kennwert1>, <Kennwert2> und <Kennwert3> in der Datei GWP.SDF, s. Abbildung B.1‑2).
Wie Abbildung B.1‑8 zeigt, können in der WQ-Tabelle auch zwei Abflüsse angegeben werden, die je nach MOD_TYP entweder als möglicher Abflussbereich bei Anlagen interpretiert werden, die eine gesteuerte Abflussabgabe zulassen oder eine Abflussaufteilung bei einer Gewässerverzweigung (MOD_TYP 7 und 9) gestatten.