05.4 Zeitfunktionen in ArcEGMO zur Bewirtschaftung

Zeitfunktionen bieten in ArcEGMO die Möglichkeit, zeitlich veränderliche Randbedingungen vorzugeben. Über Zeitfunktionen können folgende Bewirtschaftungen abgebildet werden:

  1. Gewässernutzung, bei der sowohl in das Oberflächengewässer als auch in das Grundwasser Einleitungen (+) oder Entnahmen (-) in das Modell eingespeist oder entnommen werden.
  2. Stoffeinträge oder Stoffentnahmen für Chlorid, Phosphor und Stickstoff
  3. Vorgabe von Abflusskomponenten: Oberliegerzufluss (qo), Durchfluss (qc), Direktzufluss (qd) und Basisabfluss (qb). Zur Abbildung von Fremdzuflüsse, Einspeisungen, Entnahmen, Überleitungen, Abflussnachführungen etc.
  4. Vorgabe von Wasserständen z.B. als Randbedingung für Grundwassermodell
  5. Entnahme aus Gewässerpunkten, z.B. als Gewässerverdunstung
  6. Wechselnde Mindestwasserabgaben an Unterliegern und/oder veränderbarer Zielwasserstand in Talsperren
  7. Zeitliche Steuerung von Bauwerken über den K1 Parameter (=> sie Beschreibung Gewässerpunkte) vor allem zur Vorgabe von Wehrhöhen

Diese sind in der Realität meist durch anthropogene Eingriffe verursacht und werden daher unter dem Überbegriff „Bewirtschaftung“ über die Datei BW_DATA.STE direkt im ArcEGMO Verzeichnis organisiert. Die Steuerungsdatei Datei BW_DATA.ste verweist auf die eigentlichen Datendateien (z.B. bw_file.sdf und bw_file.tab für die Verwaltungsdatei) wie Abbildung 5.4-1 darstellt.

In der Strukturdefinitionsdatei sind anhand der möglichen Einträge und der Kommentare verschiedene Möglichkeiten für die Bindung der Einleitungen und Entnahmen auf Datenarten und Raumbezüge definiert. Dies sind allerdings vor allem Einstellungen, die für den Bewirtschaftungsmodus von ArcEGMO von Interesse sind.

 

Tabelle 5.4-1: Kodierung der durch die Zeitfunktionen ansteuerbaren Größen

Kodierung Erläuterung Einheit
q_ex, gw Gewässernutzungen im Oberflächengewässer und im Grundwasser, die als Einleitungen (+) oder Entnahmen (-) ins Modell eingespeist werden m3/s
qex_Cl,qex_P,qex_N analog für Chlorid, Phosphor und Stickstoff g/s
qo, qc, qd, qg gemessene und/oder extern berechnete Zuflüsse ins Modellgebiet, mit denen die angegebene Systemgröße (qo – Oberliegerzufluss, qc – Abfluss, qd – Direktzufluss, qg – Basisabfluss) überschrieben werden können, d.h. einsetzbar beispielsweise:- Einspeisung von Pegelreihen als Fremdzuflüsse ins Gebiet am „Modellrand“à qo,- Messreihe einer Talsperrenabgabe ersetzt modellierten Abfluss im Sinne einer Nachführung à qc- Einspeisung simulierter Grundwasserzuflüsse eines externen Grundwassermodells à qg m3/s
Wc Wasserstände im Gewässer als Randbedingung für internes Grundwassermodell m üNN
Wep Gewässerverdunstung (GWP zugeordnet) (positive Werte) mm
ql, qnu,qndqzb Mindestabgabe, Nutzungsbedarf der Unterlieger und Nutzungsbedarf direkt aus der TalsperreZwischengebietszufluss zu einem Kontrollpegel, m3/s
Sw aktuell anzusteuernder Wasserstand in der TS m üNN
k1 Aktueller Wert des Parameters K1 (s. Teil 1, Kap. 4, Tab. 4.18), vor allem zur zeitveränderlichen Vorgabe von Stauhöhen an Wehren gedacht – aktuelle Wehrhöhe m üNN
Intz Intz_Input als Beregnung- Zuordnung auf die InterzeptionsSpeicherfuellung mm/DT
bru Grundwasserentnahmen oder Einleitungen in ASM m3/s
rnd Randzufluesse in ASM m3/s
qero_N, qero_P akt. partikulärer Stoffeinleitung (N oder P) ins Gewässer über RO (Erosion) g/s

image

Abbildung 5.4-1: Vereinbarung von zeitvariablen Einleitungen/Entnahmen

Für die Einbindung von Zeitreihen werden die in der Verwaltungsdatei …\gis\ascii.dat\bw_file.tab weitere Angaben benötigt. Die Datei-Form M, E oder R legt fest, ob die mehrere Datenarten für einen Raumbezug gegeben sind (M) oder eine Datenart für mehrere Raumbezüge (E und R). R und E unterschieden sich dabei nur über die Lage der betroffenen IDs: R wird für alle RandIDs verwendet, E steht für alle IDs innerhalb des Randes.

Der Raumbezug wird angegeben, damit die Zuordnung der IDs zu den entsprechenden Elementen vorgenommen werden kann. Dabei ist sicherzustellen, dass der angegebene Raumbezugstyp RBT mit dem gewählten Raumbezug der Modellierung (s. RAUMBEZUEGE_MODELLIERUNG in Kapitel 3) für die jeweilige Modellebene (Q für oberflächengewässer- und GW für grundwasserrelevante Nutzungen) übereinstimmt. Während die Seeverdunstung für einen Gewässerpunkt vorgegeben werden kann, sind Einleitungen und Entnahmen (qex) NUR für Fließgewässerabschnitte möglich. Eine Einleitung in einen See muss über den Fließgewässerabschnitt erfolgen, der dem Gewässerpunkt des Sees zugeordnet ist.

Die zeitliche Variabilität der Gewässernutzungen kann angegeben werden, wie in Kapitel 8.5 beschrieben, über zyklische Zeitfunktionen, die einen typischen Jahresgang beschreiben. Dies kann über mittlere Monatswerte oder über Stützstellen, anzugeben über die Tagesnummer innerhalb eines Jahres (1…365) erfolgen.

Soll für Testzwecke eine Zeitfunktion mal deaktiviert werden, ohne dass die entsprechende Zeile komplett gelöscht wird, kann das leicht geschehen, indem die DATEI mit einem ‚*’ auskommentiert wird.

DATEI       TYP DATZ FORM RBT RB X-COORD Y-COORD DTD
*einleitung txt qex  E    fgw 0  0.0000  0.0000  0
*einleitung txt qex  E    fgw 0  0.0000  0.0000  0
Evaposee    txt wep  E    gwp 0  0.0000  0.0000  0
Wehr11      txt k1   E    gwp 0  0.0000  0.0000  0
*Wehr13     txt k1   E    gwp 0  0.0000  0.0000  0
*Wehr14     txt k1   E    gwp 0  0.0000  0.0000  0

Abbildung 5.4-2:Beispiel einer Verwaltungsdatei…gis\ascii.dat\bw_file.tab

Zeitfunktion Zustand

Über die Zeitfunktion Zustand können Bauwerke aktiviert und deaktiviert werden. Standardmäßig sind alle Bauwerke aktiv, die in der GWP-Datei vorgegeben sind.

Die Zustände zus als neue, programminterne Datenart werden über Bewirtschaftungsdaten aktiviert. Während der Dateiname und der Dateityp frei vorgegeben werden können, muss zus für DATZ als Datenart angegeben werden, der die einzulesenden Zustände programmintern zugeordnet werden. Als Raumbezug wird derzeit nur GWP unterstützt.

Bw_file.dat

DATEI TYP   DATZ  FORM  RBT   RB    X-COORD     Y-COORD     DTD
TS_Zustand  txt   zus   E     gwp   0     0     0     864000

Die Datendatei TS_Zustand.txt befindet sich im Zeitreihenverzeichnis im Ordner bw_data. Je nach gewählter Zeitfunktion (s. Kapitel 5.6) können die Zustände zyklisch, z. B. als Jahresgänge (Wehr gezogen oder gesetzt), als äqui- oder nicht äquidistante Zeitreihe vorgegeben werden. Im folgenden Beispiel besteht die Zustandsdatei aus wenigen Stützstellen, die besagen, dass am 1.11.1965 das Bauwerk (hier Talsperre) in Betrieb ging, am 2.11.1993 deaktiviert wurde (z. B. für Baumaßnahmen) und am 3.11.1994 wieder in Betrieb genommen wurde.

Die hier gewählte Vorgabe der Zustände über Stützstellen funktioniert dann gut, wenn der Simulationsbeginn innerhalb des über die Stützstellen definierten Zeitraumes liegt. Beginnen die Simulationsrechnungen vor dem ersten Eintrag in der Zustandsdatei, so ist der Zustand nicht definiert. In diesem Fall wird eine Warnung ausgegeben und der Zustand auf 0 gesetzt. In dem Beispiel unten wäre dies korrekt, da die Talsperre erst im Jahr 1965 in Betrieb genommen wurde.

TS_Zustand.txt

termin      113
01.11.1965  1
02.11.1993  0
03.11.1994  1

Alternativ kann natürlich der Zustand auch für jeden Tag vorgegeben werden.

Derzeit werden als Zustände nur 0 für deaktiviert oder nicht wirksam und 1 für aktiviert unterstützt.

Um den Zustandswechsel zwischen 0 und 1 zu berücksichtigen z. B. für die Inbetriebnahme einer bisher nicht vorhandenen Talsperre, ist dafür zu sorgen, dass der Speicher zu Beginn einer Simulationsperiode leer und der Startwasserstand dementsprechend festgelegt ist, sofern diese mit deaktivierter Talsperre beginnt. Dieser Startwasserstand bezieht sich auf die Bezugshöhe und muss dem minimalen Wasserstand in der HAV- und WQB-Tabelle entsprechen.

Ein Zustandswechsel von 1 zu 0 bewirkt derzeit eine Deaktivierung des Bauwerkes. Die Speicherfüllung und der letzte Wasserstand verbleiben unverändert bis zu einer eventuellen Wiederinbetriebnahme (Wechsel von 0 zu 1), was sicherlich für längere Zeiträume nicht realistisch ist.

Deshalb ist vorgesehen, sofern dies für die Lösung konkreter Aufgabenstellungen erforderlich wird, weitere Zustände bzw. Zustandsübergange wie gesteuerte Entleerung für Wartungsarbeiten (z. B. Entleerung mit dem schadlos abführbaren Abfluss) oder Dammbruch mit einer schlagartigen Entleerung zu integrieren.


5.4.1 Einleitungen und Entnahmen

5.4.1.1 Integration analog Pegelreihen

Einleitungen und Entnahmen sind anthropogene, Bilanz beeinflussende Maßnahmen in einem Flussgebiet. Derartige Einflüsse sollten, sofern sie quantifizierbar sind, im Rahmen einer hydrologischen Gebietsmodellierung berücksichtigt werden.

In ArcEGMO können Einleitungen bzw. Entnahmen als Zeitreihen vorgegeben und über ihren Raumbezug an die Modellierungs-Cover gebunden werden.

Die Verwaltung dieser Zeitreihen erfolgt vollkommen analog und letztlich auch gemeinsam mit den hydrologischen Daten.

In der hydrologischen Stammdatentabelle (s. Abbildung 5.3-3) werden die Verweise auf die Zeitreihen mit Entnahmen und Einleitungen genauso verwaltet wie die Pegelzeitreihen. Lediglich die ID’s der zugeordneten Gewässerabschnitte bzw. Teileinzugsgebiete erhalten zur Unterscheidung von den Pegelreihen ein negatives Vorzeichen.

Bei Verwendung dieser einfachen Methode ist es erforderlich, dass die Einleitungen oder Entnahmen in gleicher zeitlicher Auflösung wie die Pegeldaten und die meteorologischen Daten vorliegen.

5.4.1.2 Integration als Zeitfunktionen

Eine andere, wesentlich flexiblere Möglichkeit, Einleitungen und Entnahmen in ArcEGMO zu berücksichtigen, besteht in der Verwendung von Zeitfunktionen.

5.4.1.3 Integration von GRM-Daten

Eine weitere Möglichkeit, Einleitungen und Entnahmen in ArcEGMO einzubinden, wurde über eine Schnittstelle zu den Datenstrukturen geschaffen, die in ArcGRM© zur Verwaltung von Nutzerdaten gebräuchlich sind.

Insbesondere für die Einspeisung externer Zuflüsse inklusive Stoffkomponenten wurden die Möglichkeiten der Zeitreihenverwaltung erweitert um die DATEI_FORM K (s. Dokumentation Teil 1, Kapitel Bauwerke), mit der es nun möglich ist, einem Raumbezug (einem räumlichen Objekt) mehrere Datenreihen über eine Datei zuzuordnen.

Die Zuordnung des Raumbezugs erfolgt nun in der Datei bw_file.tab. Im nachstehenden Beispiel werden ein externer Zufluss inklusive Chloridfracht in den Gewässerabschnitt mit der FgwID = 2000 eingespeist. Die Zuordnung zur Datenart DATZ erfolgt nicht mehr in der Datei bw_file.tab, sondern in der Datentabelle selbst. Hier muss als Attributbezeichnung DATZ gemäß obiger Tabelle angegeben werden. Das Attribut DATZ in bw_file.tab wird überlesen.

DATEI   TYP DATZ FORM RBT RB   X-COORD Y-COORD DTD
cl_test txt xxx  K    fgw 2000 0       0       1440

Abbildung 5.4-3: Datei…gisascii.patbw_file.tab

cl_test.txt
D M Y    qex_Cl qex
1 1 1992 0.9167 0.123456
2 1 1992 1.2696 0.98765

Abbildung 5.4-4: Beispiel Entnahme

5.4.1.4 Integration der Gewässerverdunstung als vorgegeben Zeitreihe (Messwerte)

Für die zeitgesteuerte Vorgabe der Gewässerverdunstung (WEP) ist zu beachten, dass die vorgegebenen Werte > 0 sein müssen, da Werte <= 0 als Fehlwerte interpretiert werden. Für diesen Fall wird die Gewässerverdunstung aus den Klimagrößen der nächstgelegenen Klimastation nach Turc/Ivanov berechnet. Die nächste Klimastation wird dabei aus den Koordinaten des Gewässerpunktes ermittelt. Sind keine Koordinaten angegeben, ist eine Ermittlung nach Turc/Ivanov nicht möglich. Sind in einer vorgegebenen Zeitreihe Verdunstungen mit „0“ angegeben, die verwendet werden sollen, ist es möglich, diese über das Löschen der Koordinaten (Koordinate = 0) des Gewässerpunktes mit zu berücksichtigen.

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