02.3 Räumliche Diskretisierungsvarianten für die Betrachtung der Abflusskonzentration

In einem Untersuchungsgebiet werden entsprechend der gewünschten räumlichen Diffe­ren­zierung der Ergebnisse zunächst im allgemeinen Teileinzugsgebiete für ausgewählte Gewässer­strecken, Fluss- oder Geländeprofile (problemadäquate Diskretisierung) und für verfüg­bare Pegel (in­formationsadäquate Diskretisie­rung) ausgegliedert. Unter Verwendung geeigneter Modellansätze kann die Abflusskonzentration integral für einzelne Teileinzugsgebiete beschrieben werden.

Im klassischen EGMO werden die Abflusskonzentrationsprozesse getrennt nach Abflusskomponenten je Teilgebiet beschrieben. Der Landoberflächenabfluss, einschließlich der Abflussprozesse im Gewässersystem wird dabei über eine Systemantwortfunktion (Faltung mit Impulsantwort) beschrieben, die unterirdischen Abflusskonzentrationsprozesse über Einzellinearspeicher- und ggf. Translationsansätze.

Für eine Vielzahl von Problemstellungen ist diese Vorgehensweise ausreichend und effizient.

Sind differenziertere Probleme zu lösen, die detaillierte und flächenbezogene Aussagen zu Einzelprozessen erfordern (z.B. Erosion), bietet es sich an, die landoberflächen-, gewässer- und grundwassergebundenen Abflusskonzentrationsprozesse getrennt zu modellieren und die entsprechenden Konzentrationsräume adäquat zu untergliedern (Diskretisierung von Flussstrecken in Teilabschnitte, Gebietsflächen in Teilflächen wie Hydrotope, Hydrotopklassen o.ä.).

Abflusskonzentration im Gewässersystem

Für detaillierte hydrologische oder hydraulische Abflussberechnungen im Gewässernetz wird dieses in Gewässerabschnitte untergliedert. Die Untergliederung erfolgt so, dass Systemknoten als Begrenzun­gen eines Gewässerabschnittes durch die Verzweigungen des Gewässernetzes (informations- und prozessadäquat), durch Aussageprofile (problemadäquat) und Pegel (informationsadäquat) gebildet werden. Eine Verfeinerung dieser Untergliederung erfolgt dann, wenn signifikante Wechsel der Systemeigenschaften (Gefälle, Rauhigkeit[1]) innerhalb eines Abschnittes zu verzeichnen sind (prozessadäquat).

Mit dieser Untergliederung wird erreicht, dass

  1. die prinzipielle Struktur des Gewässersystems erhalten bleibt,
  2. Aussagen für festzulegende Gewässerprofile möglich sind,
  3. ein Vergleich mit gegebenen Abflussbeobachtungen gewährleistet ist,

Eine angemessene Untergliederung impliziert, dass von einer hinreichenden Homogenität der Charakteristiken ausgegangen werden kann.

Abflusskonzentration auf der Landoberfläche

Den ausgegliederten Gewässerabschnitten sind ihre jeweiligen Eigeneinzugsgebiete zuzuordnen, die im allgemeinen aus zwei Abflusskaskaden gebildet werden – einer linken und einer rechten, bei Quellgebieten zusätzlich einer oberen. Diese Kaskaden sind dadurch gekennzeichnet, dass zwischen benachbarten Kaskaden keine Massenflüsse existieren (analog Stromröhre) und dass sie an einer Kammlinie beginnen und an einer Tallinie (i.d.R. Flusslauf) enden.

Eine Kaskade kann weiter in Segmente untergliedert werden, wenn teilflächenbezogene Unterschiede im Wasserhaushalt, speziell im Landoberflächenabfluss und durch diesen bedingte Wechselwirkungen von Flächen innerhalb einer Kaskade detaillierter erfasst werden sollen. Die Segmentgrenzen sind so zu wählen, dass jedes Segment genau ein unterliegendes Segment besitzt oder in den entsprechenden Flussabschnitt entwässert. Die Gliederung in Segmente ist insbesondere notwendig, wenn

  1. Aussagen über Abflussprozesse innerhalb von Kaskaden gemacht werden sollen, z.B. über Ab­trags- und Ablagerungsprozesse, und wenn die Beschreibung von Eintragspfaden im Vordergrund der Untersuchungen steht (pro­blemadäquat),
  2. Kaskaden durch signifikante „Störungen“ (z.B. Straßen u.ä) unterteilt werden (prozessadäquat),
  3. durch eine Segmentierung eine exaktere Beschreibung lateraler Abflussprozesse möglich wird. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn in einer Kaskade „geordnete“ Eigenschaftsmuster erkennbar sind und sich eindeutige Wechselwirkungen (laterale Abflussprozesse) zwischen ihnen determiniert erfassen lassen – wie z.B. beim klassischen Zonenkonzept (Hochflächen, Hänge, Talauen) (prozess­adäquat).

Sofern in der Vertikalprozess-Domäne eine Gliederung in Hydrotope erfolgt (s.u.), können auch diese zur Segmentierung genutzt werden, was dann die modelltechnische Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Hydrotopen gestattet. In der Regel wird eine Kaskade aus einer Talaue, einem Hang und einer Hochfläche bestehen, deren Unterschiede im hydrologischen Regime (s. Tabelle 2.3‑1) ortsbezogen im Rahmen der Gebietsgliederung berücksichtigt werden können. Diese Unterschiede werden i.a. in erster Linie durch das Gefälle und den Grundwas­serflurabstand geprägt.

Tabelle 2.3‑1: Allgemeine Kennzeichnung von Unterschieden im hydrologischen Regime einer Talaue, eines Hanges und einer Hochfläche

  Talaue Hang Hochfläche
Gewässerabstand gering talformabhängig groß
Grundwasserflurabstand gering mittel bis groß groß
Gefälle gering mittel bis groß groß
Direktabflussbildung von Sättigungsflächen bei Starkregen gering
Direktabflusswirksamkeit groß bei hohem Grundwasserstand groß gering
Verdunstung i.d.R. potentiell feuchteabhängig feuchteabhängig
Grundwasserneubildung gering mittel bis groß mittel bis groß

 

Abflusskonzentration im Untergrund – Grundwasserabfluss

Die räumliche Gliederung zur Beschreibung der Abflussprozesse im Untergrund erfolgt wiederum problem- und prozessadäquat. Stehen reine Mengenbetrachtungen im Vordergrund, so ist vielfach aufgrund der geringen Abflussdynamik eine Beschreibung mit Linearspeicheransätzen mög­lich, was eine relativ grobe räumliche Strukturierung ermöglicht, aber auch erfordert. Hier bietet sich eine Modellierung auf Basis von Teileinzugsgebieten an, weil nur für beobachtete Teil­ein­zugs­gebieten die Einzellinearspeicherkonstanten abgeleitet werden können.

Sollen auch Stofftransportprobleme be­schrieben werden, ist bei der Grundwassermodellierung aus problemtechnischen und aus Stabilitätsgründen oft eine sehr feine­ Dis­kretisierung, z.B. in finite Elemente, notwendig.


[1] Fließquerschnitt, wie z.B. an Wehren, Stromschnellen, Flussseen o.ä.

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