02.3 Modellierung von Abflussreduktionen durch die Vegetation

In vielen Pegelaufzeichnungen sind ein starkes Absinken des Durchflusses im Frühjahr (und An­steigen im Herbst) und in sommer­li­chen Trockenperioden interne Sprünge zu beobach­teten, die mit den Durchflussrück­gangsgesetzen nicht erklärbar sind (Becker & Pfützner 1986).

Zur Interpretation: In niederschlagsarmen und verdunstungsinten­si­ven Perioden können die grundwassernahen Flächen AN soweit aus­trocknen, dass sie eigentlich nicht mehr grundwas­sernah sind. Zur Realisierung der potentiellen Verdunstung auf diesen Flächen wer­den der hypodermische Abfluss RH und der Grundwasserabfluss RG, be­ginnend mit der Entwicklung der Vegetation im Frühjahr, durch de­ren Transpiration, speziell von Tiefwurzlern, ange­zapft und damit redu­ziert.

Das ist mög­lich, weil meist zumindest ein Teil dieser Komponenten die grund­wassernahen Flächen auf ihrem Weg zum Vor­fluter passieren muss, während der restli­che Teil des Basis- und hypoder­mischen Ab­flusses unreduziert im Vorfluter zum Abfluss kommt.

Zur Modellierung: Man kann sich im Untergrund der grund­wassernahen Flächen AN einen Bezugs­wasser­vor­rat SAN und ein ent­sprechendes „Normalniveau“ des Grundwasser­spie­gels vorstellen, bei dessen Unterschreitung die unterir­dischen Durch­flüsse von den umliegenden grundwasserfernen Flächen (AG und evtl. AH) oder er­reich­bare Oberflächengewässer durch die Pflanzen­trans­piration an­gezapft werden.

Als erstes wird der Transpirationsbedarf SAND der Fläche AN be­rechnet:

 

\fn_jvn SAND=PSO\cdot VEG
Gl. 2-7

 

PSO als negativer Output des Abflussbildungsmodells ist hier der noch nicht befriedigte Verdunstungsanspruch oder das schon reduzierte Verdunstungsdefizit. Der Koeffi­zient VEG spiegelt das Transpirationsvermögen, d.h. den Entwicklungsstand der Vegetation wider. Er wird in den Vegeta­tions­monaten Mai bis September in erster Näherung gleich der posi­tiven Halbwelle einer Cosinusfunktion gesetzt.

Dem Transpirationsbedarf SAND steht eine „ausschöpfbare“, durch die AN-Fläche hindurch­fließende Abflussmenge WAV gegenüber:

 

\fn_jvn WAV=(RG+RH)\cdot (1.-AFMN)
Gl. 2-8

 

AFMN ist ein gedachter An­teil der Flächen AG und AH, von denen der unterirdische Abfluss nicht durch AN hindurch fließt bzw. nicht durch die Verdunstung von AN erreichbar ist.

Bei negativem SAN werden SAND und WAV in jedem Berechnungszeitschritt verglichen, und in Abhängigkeit vom Ergebnis dieses Ver­gleichs werden folgende Berechnungen durchge­führt:

1. Wenn SAND kleiner ist als WAV, kann SAND aus den unterirdischen Ab­flüssen ge­deckt werden, SAN bleibt unverändert und ein Ver­dunstungs­defizit EDN tritt nicht ein. Der reduzierte Abfluss RHG der Flächen AG und AH ergibt sich zu

 

\fn_jvn RHG = RHG - SAND

Gl. 2-9

\fn_jvn SAN = SAN1

Gl. 2-10

\fn_jvn EDN = 0.  Gl. 2-11

 

2. Wenn SAND größer ist als WAV, wird der volle ausschöpfbare (RG+RH)-Anteil WAV für die Verdunstung in Anspruch genommen, d.h. es gelangt nur der garantierte Min­destabfluss in die Ober­flä­chengewässer. Daraus folgt:

 

\fn_jvn RHG = RHG - WAV Gl. 2-12

\fn_jvn SAN = SAN + WAV / AN Gl. 2-13

 

Der sich in diesem Fall ergebende, noch nicht befriedigte Teil des Verdunstungsbedarfs (SAND-WAV) kann nur aus SAN gedeckt wer­den, das auf diese Weise weiter und über län­gere Zeiträume un­begrenzt ins Ne­gative absinken würde, wenn immer noch po­ten­tiel­le Verdun­stung wir­ken würde. Deshalb ist es notwendig, die SAN-Ausschöpfung mit sin­kendem SAN ab­nehmen zu lassen, was äqui­va­lent mit einer Flächen­ver­ringerung ist. Damit können also auch auf den Feuchtflächen bei ab­nehmenden Wasservorräten Ver­dun­stungsdefizite EDN entste­hen.

Besonders für die Modellierung großer Flussgebiete müssen auch „Zwi­scheneinzugsgebiete“ modelliert wer­den. Das sind Gebiete zwi­schen zwei Pegeln, die Eigenabfluss liefern, der in Abflussbil­dungs­perioden den Zufluss vom Ober­pegel erhöht. Dieser Effekt lässt sich mit den bisher beschriebenen Ansätzen nachbilden.

Besondere Probleme treten in Trockenperioden auf, in denen der Zu­fluss vom Oberpegel größer als der Abfluss des Unterpegels ist. Das ist erklärbar durch ein zum Gebiet hin beste­hendes Gefälle des Grund­wasserleiters, das bedingt, dass das Gebiet, ins­besondere die Niederungsflächen, den Gewässerabfluss zehren bzw. re­duzieren.

Modelltechnisch wird das stark vereinfacht wie folgt realisiert:

  1. Per Definition wird für Zwischengebiete AFMN=0 gesetzt. Damit können die gesamten unterirdischen Abflusskomponenten des Zwi­schen­gebietes angezapft werden, d.h., es wird kein minima­ler Rest­abfluss garantiert bzw. ein „Null“-Abfluss des Gebietes als möglich an­gesehen.
  2. Von der grundwassernahen Fläche werden auch negative Abflüsse zugelassen, d.h. es wird der Abfluss von AN bei negativer Spei­cherfüllung SAN berechnet, der sich bei gleich­großen, posi­tiven SAN ergeben würde, also im Prinzip ein Zufluss von Vorflu­ter ins Gebiet. Damit sind nun auch in Ab­hängigkeit von der Gebiets­feuchte „negative“ Abflüs­se bzw. Zehrungen mög­lich, die durch Superposi­tion mit dem Oberpe­gelzufluss einen vermin­derten Unterpegelab­fluss ermöglichen.

Der Parameter AFMN, also der Flächenanteil der grundwasserfernen Flächen AF, dessen unter­ir­di­scher Abfluss unredu­ziert das Abflussprofil des Ein­zugsgebietes er­reicht, ist schwer abschätz­bar. Er kommt dem Wert 0 umso näher, je größer AN im Ver­gleich zu AF ist und je mehr AN-Flächenanteile im unteren Einzugsgebietsteil (nahe dem Abflussprofil) liegen.

Über negative AFMN können bei negativen Speicherfüllungen auf den grundwassernahen Flächen auch negative Zuflüsse aus den Auenbereichen zum Vorfluter realisiert werden. Werden diese mit den Gewässerabflüssen überlagert, können so Reinfiltrationseffekte aus dem Gewässer ins Grundwasser abgebildet werden. Da das Grundwassermodell aber keine Information darüber besitzt, ob im Gewässer genug Wasser fließt, um diesen Reinfiltrationsanspruch zu befriedigen, sollte das oberliegende Einzugsgebiet eine gewisse Mindestgröße besitzen, weil sich sonst negative Gewässerabflüsse ergeben können.

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